Pelikan e.V.
Literatur - Förderverein
Wer wir sind
Der Pelikan ist ein eingetragener Förderverein für Literatur und neue Schule. Die literarischen Flüge(l) erstrecken sich über ganz Sachsen-Anhalt.
In Autorenkreisen und Schreibrunden stellen Erwachsene und Kinder ihre Texte vor und diskutieren darüber.
Der Verein hilft auch älteren, benachteiligten und geflüchteten Menschen, ihre Geschichten aufzuschreiben.
Die Schreibenden werden unterstützt, in Workshops und Veranstaltungen, ihre Werke Interessierten vorzustellen, sie in Anthologien oder auch als eigenständige Bücher zu veröffentlichen.
hier werden die laufenden Projekte des Vereins vorgestellt
zu den aktuellen Schreibaufrufen
hier gibt es interessante Informationen über die Geschichte des Vereins,
unsere Satzung
und unseren Vorstand
Hier gibt es einen Überblick unserer bevorstehenden Veranstaltungen
wir blicken auf verschiedene Veranstaltungen zurück
hier können Sie uns unterstützen
oder Mitglied des Vereins werden
Leseproben
Textauszug aus "Blumen für Polefki":
Günter Hartmann
Sticheln und Stricheln
Der Burger Künstler Gerhard Wilhelm August Stauf
Nicht viele Grafiker können von sich behaupten, dass Teile ihres künstlerischen Werkes pro Motiv eine Auflage von zehntausend Stück erreichen.
Der Grafiker und Kupferstecher Gerhard Stauf konnte es. Briefmarken-Nutzer leckten die von ihm geschaffenen künstlerischen Motive, zumeist gegenwärtige oder auch schon längst verblichene Persönlichkeiten der DDR und der Geschichte, auf Rückseiten ab und an, klebten sie oft ziemlich gedankenlos dann auf Briefe oder Postkarten, verschickten diese kleinen Kunstwerke in die große weite Welt.
Ich habe Gerhard Stauf nie persönlich kennengelernt. Das ist schade.
Eine Generation lag zwischen uns. Er lebte bis zuletzt in Leipzig.
Ich darf mich mit seinem Sohn Roland "begnügen", dessen Broterwerb im Journalismus war und ist.
Sohn Stauf ähnelt optisch dem Vater, da den Bildern zu trauen ist, die Erbmasse schaut beim Nachwuchs fast aus jedem Knopfloch. Die biologische Herkunft kann nicht verleugnet werden.
Roland bewahrt auch das Lebenswerk des Vaters, Teile des grafischen Nachlasses für spätere Generationen.
Und er schreibt literarische Texte im Burger Literaturverein Pelikan e.V., leitet dort Nachwuchsautoren an, kritisiert diese künstlerisch wirkungsvoll.
Privat verband den Vater Gerhard Stauf eine Jugendfreundschaft mit der Burger Schriftstellerin Brigitte Reimann. Für ihr literarisches Werk wurde in der DDR der Begriff "Ankunftsliteratur" geprägt. Vielleicht sollten wir für den Grafiker Gerhard Stauf auch einen "Epoche-Begriff" erfinden. Als Freund der Brigitte Reimann wäre das nur zu gerecht.
Die Titelseite dieser Anthologie entstand übrigens unter der Verwendung einer grafischen Studie Gerhard Staufs.
Es ist somit auch kein Zufall, dass "Blumen für Polefki", Titel einer Erzählung vom Sohn Roland Stauf, der vorliegenden Anthologie den Namen gab.
Der Grafiker und Kupferstecher Gerhard Stauf konnte es. Briefmarken-Nutzer leckten die von ihm geschaffenen künstlerischen Motive, zumeist gegenwärtige oder auch schon längst verblichene Persönlichkeiten der DDR und der Geschichte, auf Rückseiten ab und an, klebten sie oft ziemlich gedankenlos dann auf Briefe oder Postkarten, verschickten diese kleinen Kunstwerke in die große weite Welt.
Ich habe Gerhard Stauf nie persönlich kennengelernt. Das ist schade.
Eine Generation lag zwischen uns. Er lebte bis zuletzt in Leipzig.
Ich darf mich mit seinem Sohn Roland "begnügen", dessen Broterwerb im Journalismus war und ist.
Sohn Stauf ähnelt optisch dem Vater, da den Bildern zu trauen ist, die Erbmasse schaut beim Nachwuchs fast aus jedem Knopfloch. Die biologische Herkunft kann nicht verleugnet werden.
Roland bewahrt auch das Lebenswerk des Vaters, Teile des grafischen Nachlasses für spätere Generationen.
Und er schreibt literarische Texte im Burger Literaturverein Pelikan e.V., leitet dort Nachwuchsautoren an, kritisiert diese künstlerisch wirkungsvoll.
Privat verband den Vater Gerhard Stauf eine Jugendfreundschaft mit der Burger Schriftstellerin Brigitte Reimann. Für ihr literarisches Werk wurde in der DDR der Begriff "Ankunftsliteratur" geprägt. Vielleicht sollten wir für den Grafiker Gerhard Stauf auch einen "Epoche-Begriff" erfinden. Als Freund der Brigitte Reimann wäre das nur zu gerecht.
Die Titelseite dieser Anthologie entstand übrigens unter der Verwendung einer grafischen Studie Gerhard Staufs.
Es ist somit auch kein Zufall, dass "Blumen für Polefki", Titel einer Erzählung vom Sohn Roland Stauf, der vorliegenden Anthologie den Namen gab.
Im Österreichischen Jahrbuch für EXLIBRIS und Gebrauchsgraphik Jahrgang 94/95 (Band 59) ist zum 70. Geburtstag Gerhard Staufs zu lesen:
"Von Haus aus ist er Illustrator. Neben der Buchkunst sind Kleingrafiken in Holz- und Kupferstich, Reliefgravuren sowie Medaillen-Entwürfe seine wesentlichen Arbeitsgebiete, er hat auch 220 Briefmarken entworfen und 17 in Stahl gestochen. Dabei ging es ihm stets darum, die Schönheit des Motivs 'in exakter Ausführung der Zeichnung' sichtbar zu machen. Wörtlich führte er aus: 'Das besonders kleine Format der Briefmarken forderte von mir immer die kürzeste, komprimierteste Gestaltung, die Beschränkung auf das Wesentliche. Diese langjährige Schule des notwendig Einfachen übertrug sich schließlich auf alle anderen Gebiete meines Schaffens.'"
"Von Haus aus ist er Illustrator. Neben der Buchkunst sind Kleingrafiken in Holz- und Kupferstich, Reliefgravuren sowie Medaillen-Entwürfe seine wesentlichen Arbeitsgebiete, er hat auch 220 Briefmarken entworfen und 17 in Stahl gestochen. Dabei ging es ihm stets darum, die Schönheit des Motivs 'in exakter Ausführung der Zeichnung' sichtbar zu machen. Wörtlich führte er aus: 'Das besonders kleine Format der Briefmarken forderte von mir immer die kürzeste, komprimierteste Gestaltung, die Beschränkung auf das Wesentliche. Diese langjährige Schule des notwendig Einfachen übertrug sich schließlich auf alle anderen Gebiete meines Schaffens.'"
Ich mag diesen "Freund und Kupferstecher" Gerhard Stauf, also den "Alten" in der unnachahmlich heiteren Art seiner Weltbetrachtung im künstlerischen Werk, seine grafischen Gestaltungen und seiner Gestalten auf Briefmarken, auf Exlibris, auf Plaketten, in anderen künstlerischen Darstellungen.
Dieses Augenzwinkern in seiner Kunst, in Gesten seiner Figuren ist unnachahmlich. Dieser Schalk im Nacken des Künstlers Stauf ist mir sympathisch. Eine ähnliche Art heiterer Alltagsbetrachtung war auch bei dem Magdeburger Künstler Gerd Bunzenthal zu finden, an den wir in dieser Anthologie ebenfalls erinnern.
Dieses Augenzwinkern in seiner Kunst, in Gesten seiner Figuren ist unnachahmlich. Dieser Schalk im Nacken des Künstlers Stauf ist mir sympathisch. Eine ähnliche Art heiterer Alltagsbetrachtung war auch bei dem Magdeburger Künstler Gerd Bunzenthal zu finden, an den wir in dieser Anthologie ebenfalls erinnern.
Textauszug aus "Einundzwanzig Stufen bis zur Tür":
Johanna Bulz
Einundzwanzig Stufen bis zur Tür
Wir stehen am Strand vor der Seebrücke. Die unzähligen Steine, die Muscheln sind geschliffen von den Wellen. Mein Mann, meine Tochter und mein Sohn besuchen mich heute während meines Reha-Aufenthaltes an der Ostsee. Für mich ist hier ein Ort der Stille. Und ich brauche diese Stille, um wieder zu atmen und zur Ruhe zu kommen.
Wir gehen die Holztreppe zur Seebrücke hinauf. Die Stufen sind schmal. Mein fünfundvierzigjähriger Sohn tritt unsicher auf die erste Stufe. Mein Mann und meine Tochter Sabrina sind schon halb oben. Doch Daniel traut sich nicht weiter.
"Komm Daniel, halte dich am Geländer fest und gehe jede Stufe für sich."
"Das ist aber schwer."
"Das schaffst du. Ich bleibe neben dir, dann hast du Halt."
Ich schaue zum Meer, der Wind treibt die Wellen, die Schaumkronen springen. Meine Gedanken wandern durch mein Leben. Erinnerungen werden wach.
Ich stelle meinen sechsjährigen Sohn an das Treppengeländer, lege seine rechte Hand auf den Handlauf und trete gebeugt hinter ihn. Helfend strömt mein Herz zu ihm.
Daniels Hörvermögen ist rechtsseitig eingeschränkt. Meine Worte kann er nicht verstehen. Schweigend hebe ich sein rechtes Bein an und setze es auf die erste Stufe. Dabei gebe ich seinem Rücken mit meiner linken Hand Halt.
Nun hebe ich das linke Bein auf die erste Stufe. Daniel ist so verkrampft, die Spastik so ausgeprägt, als würde ich Stahl anheben. Die Schienen an seinen Beinen quietschen.
In Gedanken stehe ich wieder mit ihm auf dieser Stufe.
Einen Augenblick verschnaufen wir. Ich streiche über seinen Lockenkopf. Nun schiebe ich seine Hand ein Stückchen am Handlauf weiter. Das rechte Bein hebe ich an, setze es auf die zweite Stufe. Meine linke Hand ruht schützend auf seinem Rücken.
Danach hebe ich das linke Bein auf die zweite Stufe. Wieder kämpfe ich gegen die Spastik. Und wieder quietschen die Schienen. Und wieder ist Zeit zum Verschnaufen.
In meinen Ohren dröhnt es, mein Körper fühlt sich an, als würde ich in einem Walzwerk arbeiten. Meine Haare triefen. Die Nachmittagssonne, die durch das Flurfenster auf die Treppenstufen fällt, wirft einen Hoffnungsschimmer.
Ich bewundere Daniels Willen und meine Hingabe und Disziplin. Ich bin seine Mutter, aber in Situationen wie dieser auch seine Therapeutin. Da verbiete ich mir meine Tränen.
Wir gehen die Holztreppe zur Seebrücke hinauf. Die Stufen sind schmal. Mein fünfundvierzigjähriger Sohn tritt unsicher auf die erste Stufe. Mein Mann und meine Tochter Sabrina sind schon halb oben. Doch Daniel traut sich nicht weiter.
"Komm Daniel, halte dich am Geländer fest und gehe jede Stufe für sich."
"Das ist aber schwer."
"Das schaffst du. Ich bleibe neben dir, dann hast du Halt."
Ich schaue zum Meer, der Wind treibt die Wellen, die Schaumkronen springen. Meine Gedanken wandern durch mein Leben. Erinnerungen werden wach.
Ich stelle meinen sechsjährigen Sohn an das Treppengeländer, lege seine rechte Hand auf den Handlauf und trete gebeugt hinter ihn. Helfend strömt mein Herz zu ihm.
Daniels Hörvermögen ist rechtsseitig eingeschränkt. Meine Worte kann er nicht verstehen. Schweigend hebe ich sein rechtes Bein an und setze es auf die erste Stufe. Dabei gebe ich seinem Rücken mit meiner linken Hand Halt.
Nun hebe ich das linke Bein auf die erste Stufe. Daniel ist so verkrampft, die Spastik so ausgeprägt, als würde ich Stahl anheben. Die Schienen an seinen Beinen quietschen.
In Gedanken stehe ich wieder mit ihm auf dieser Stufe.
Einen Augenblick verschnaufen wir. Ich streiche über seinen Lockenkopf. Nun schiebe ich seine Hand ein Stückchen am Handlauf weiter. Das rechte Bein hebe ich an, setze es auf die zweite Stufe. Meine linke Hand ruht schützend auf seinem Rücken.
Danach hebe ich das linke Bein auf die zweite Stufe. Wieder kämpfe ich gegen die Spastik. Und wieder quietschen die Schienen. Und wieder ist Zeit zum Verschnaufen.
In meinen Ohren dröhnt es, mein Körper fühlt sich an, als würde ich in einem Walzwerk arbeiten. Meine Haare triefen. Die Nachmittagssonne, die durch das Flurfenster auf die Treppenstufen fällt, wirft einen Hoffnungsschimmer.
Ich bewundere Daniels Willen und meine Hingabe und Disziplin. Ich bin seine Mutter, aber in Situationen wie dieser auch seine Therapeutin. Da verbiete ich mir meine Tränen.
Schon nach der zweiten Stufe ist Daniel erschöpft. Er kann nicht mehr. Ich streiche über seine Wange. „Daniel, das hast du fein gemacht.“ Wortlos hebt er die Arme nach oben. Seine Augen sind zur Tür gerichtet. Das ist das Signal, dass er in die Wohnung an seinen Fensterplatz möchte. Er will mit den Autos spielen. Allein.
Das Erkennen der stillen Signale ist eine große Herausforderung für mich. Ich muss mich in Daniel hineindenken, um seine Gefühle zu erraten. Denn seine Mimik und Sprache sind durch die Gesichtslähmung erstarrt.
Fest an mich gedrückt trage ich unseren sechsjährigen Sohn, wie an jedem Tag, die übrigen neunzehn Stufen zur Wohnung hinauf und setze ihn an das Kinderzimmerfenster. Einen Moment bleibe ich im Türrahmen stehen und beobachte ihn. Er muss sich ausruhen. Die körperlichen Bewegungen müssen erst einen neuen Weg in sein Gehirn finden. Ich will mehr, ich will schneller. Aber auch ein kleiner Schritt ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Das Erkennen der stillen Signale ist eine große Herausforderung für mich. Ich muss mich in Daniel hineindenken, um seine Gefühle zu erraten. Denn seine Mimik und Sprache sind durch die Gesichtslähmung erstarrt.
Fest an mich gedrückt trage ich unseren sechsjährigen Sohn, wie an jedem Tag, die übrigen neunzehn Stufen zur Wohnung hinauf und setze ihn an das Kinderzimmerfenster. Einen Moment bleibe ich im Türrahmen stehen und beobachte ihn. Er muss sich ausruhen. Die körperlichen Bewegungen müssen erst einen neuen Weg in sein Gehirn finden. Ich will mehr, ich will schneller. Aber auch ein kleiner Schritt ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Wir üben heute, morgen und wer weiß wie viele Tage und Monate danach.
Ich glaube, seine Hilflosigkeit befeuert meine Reserven, meine Liebe, meine Gefühle sagen mir, ich muss ihn schützen.
Kurz vor seinem achten Geburtstag schafft es Daniel mit meiner Hilfe, unsere Wohnung über die Treppe zu erreichen. Einundzwanzig Stufen hoch.
Welch ein Erfolg für uns beide!
Es lohnt sich also, jeden Tag zu trainieren. Ich schreibe meinem Sohn die Kraft und Ausdauer eines Marathonläufers zu. Stufen, Bordsteine oder umherliegende Steine sollen keine Hindernisse mehr für ihn sein. Das ist das Ziel, das bedeutet frei zu sein!
Ich glaube, seine Hilflosigkeit befeuert meine Reserven, meine Liebe, meine Gefühle sagen mir, ich muss ihn schützen.
Kurz vor seinem achten Geburtstag schafft es Daniel mit meiner Hilfe, unsere Wohnung über die Treppe zu erreichen. Einundzwanzig Stufen hoch.
Welch ein Erfolg für uns beide!
Es lohnt sich also, jeden Tag zu trainieren. Ich schreibe meinem Sohn die Kraft und Ausdauer eines Marathonläufers zu. Stufen, Bordsteine oder umherliegende Steine sollen keine Hindernisse mehr für ihn sein. Das ist das Ziel, das bedeutet frei zu sein!
Daniel legt vorsichtig seine Hand auf meinen Arm und ich lande im Hier und Jetzt.
Auch mit fünfundvierzig Jahren benötigt er bei schwierigen Treppen Hilfe.
Doch ich bin glücklich, dass er auf genormten Treppen die Fähigkeit besitzt, sie freihändig hoch und runter zu gehen. Ich bin stolz auf ihn und auf mich.
Daniel ist ein williger Schüler und ich bin eine gute und ausdauernde Therapeutin.
"Daniel bleib einfach locker. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin bei dir. Und ich sage dir, du schaffst es!"
Daniel vertraut mir, nimmt die Herausforderung an und findet Schritt für Schritt den Weg nach oben.
"Siehst du, du hast es geschafft! Ich wusste es!"
Auch mit fünfundvierzig Jahren benötigt er bei schwierigen Treppen Hilfe.
Doch ich bin glücklich, dass er auf genormten Treppen die Fähigkeit besitzt, sie freihändig hoch und runter zu gehen. Ich bin stolz auf ihn und auf mich.
Daniel ist ein williger Schüler und ich bin eine gute und ausdauernde Therapeutin.
"Daniel bleib einfach locker. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin bei dir. Und ich sage dir, du schaffst es!"
Daniel vertraut mir, nimmt die Herausforderung an und findet Schritt für Schritt den Weg nach oben.
"Siehst du, du hast es geschafft! Ich wusste es!"
Wir schauen auf das Meer. Mein Mann ist still und sieht in die sonnige Ferne. Das glitzernde Wasser verzaubert uns.
Sabrina schwärmt. "Mutti, haben wir Glück!"
Sabrina schwärmt. "Mutti, haben wir Glück!"
Textauszug aus "lichtwege":
Dorothea Iser
kopfweiden
sie genießen die sonne
bewachen den see
erzählen einander
wie gute bekannte
von liebe und weh
greifen zum himmel
ihre triebe wagen
verschüchtert
von kalten nächten
nach dem frühling zu fragen
Bild: Kristine Ahrend
Textauszug aus "magische zeit mit dir"
Annegret Winkel-Schmelz
bindung
er holt
gedanken zurück
wie eine ostseewelle am ufer
er verschluckt
versandete zweifel
wie eine wanderdüne das land
er bricht
verkrustete bedenken auf
wie eine muschel am strand
sein antrag am meer
mit wassern gewaschen
wie steine in gischt
Kreidefelsen, Binz / Insel Rügen
Testauszug aus "Das besondere Foto - Band 4"
dorothea iser
himmelswesen
raum und zeit verloren
halten sie aneinander fest
ohne sich zu erreichen
und können nicht voneinander lassen
Foto von Rolf Winkler
Rolf Winkler
das wetter leuchtet
wie du mir, so ich dir
denken
heißt
mit dem feuer spielen
die schrecken des krieges
nicht erlitten zu haben
ist kein makel
der schrei nach krieg
der eigenen erfahrung wegen
dröhnt über das land
R. geht allein in den Wald
(Rolf Winkler)
R. schließt die Tür hinter sich. Er geht die sieben Stufen hinunter, wendet sich nach links Richtung Wald.
„Du musst heute mal allein gehen. Ich habe zu tun. Aber gehen musst du“, hatte sie gesagt.
Er sieht es ein. Er muss gehen, immer nur sitzen ist nicht gut für ihn. Aber heute fällt ihm das Gehen schwer. Er möchte nicht gesehen werden, wenn er so dahinschleicht. Und er möchte auch niemanden sehen.
Drei Häuser weiter steht Gerda am Zaun.
„Ist alles gut bei euch? Ich habe euch schon lange nicht gesehen.“
„Alles gut. Du weißt ja, ich muss in Bewegung bleiben.“
R. geht weiter. Um die Ecke. Der Wald ist schon ganz nahe. Am Eingang des letzten Grundstücks wird der Zaun erneuert.
„Schön Sie zu sehen. Wie geht’s?“
„Es geht.“
Schon ist R. im Wald. Der Weg ist etwas zerfahren, matschig. Vorsicht, Hundehaufen!
An der großen Brachfläche trainiert Norbert. Manchmal Hammerwerfen, manchmal Kugelstoßen, heute Diskuswerfen. Norbert ist ein ehemaliger Arbeitskollege, aktiver Seniorensportler.
Mit einem wechselseitigen „Hallo!“ „Hallo!“ kommt R. weiter.
Er geht bis zur Bank. Hier wollte er umkehren. Aber dann hätte es wieder die Begegnungen gegeben. Er wählt für den Heimweg einen großen Bogen. Seine Kräfte reichten.
„Ich melde mich zurück.“
„Wie war’s?“
„Schlimm war’s! Andauernd war einer da, der mit mir reden wollte. Das nächste mal musst du mitkommen. Du kannst die Gespräche führen.“
Textauszug aus "Ich könnte doch glücklich sein":
Christa Beau
Nancy
25 Jahre jung, Studentin, Mutter einer wunderschönen Prinzessin, wie sie ihre einjährige Tochter bezeichnet. Die Geburt fand im Wasser statt.
Die Schwangerschaft verlief komplikationslos. Die ganze Zeit über ging es mir gut. Ich habe mich riesig auf die Kleine gefreut, wusste, es wird ein Mädchen. Zuhause bereitete ich alles vor. Putzte und schmückte das Zimmer, suchte einen schönen Namen aus.
Die Entbindung fand im Geburtshaus meiner Hebamme statt. Alles verlief komplikationslos. In einer großen, runden Badewanne mit warmem Wasser habe ich aus eigener Kraft meinem Baby das Leben geschenkt, ohne Schmerzmittel, ohne Wehentropf. Die Hebamme hockte auf dem Wannenrand, und ich vertraute ihr. Mein Mann, der neben der Wanne saß, hat mir zwischen den Wehen Getränke gereicht und die Stirn gekühlt. Als die Kleine meinen Körper verließ, schwamm sie für einen kurzen Moment im Wasser. Mit ihrem Unterarm hob die Hebamme mein Baby aus dem Nass und legte es mir in die Arme. Es war ein wundervoller Moment, als ich die Kleine hochnahm, sie das erste Mal außerhalb meines Körpers spürte.
Auch die ersten Tage nach der Geburt waren schön. Ich hatte viel Kraft und kümmerte mich gern um die Kleine. Aber schon da begann meine Schlaflosigkeit. Plötzlich ekelte ich mich vor scharfen Gerüchen.
Fünf Tage nach der Geburt, meine Großeltern waren gerade zu Besuch, erlebte ich einen Zustand von Euphorie, ein Hochgefühl. Ich fühlte mich überdreht, als hätte ich Drogen konsumiert. Meine Hände zitterten, meine Füße waren eiskalt. Nun konnte ich gar nicht mehr schlafen. Ich fühlte mich überglücklich, war innerlich unruhig, aufgeregt und wusste nicht, wie ich meine Gefühle regulieren sollte.
Dann hatte ich Streit mit meinem Partner. Er konnte nicht verstehen, was da mit mir los war. Ich verstand es ja selbst nicht. Wir stritten und redeten die ganze Nacht lang. Wieder bekam ich keinen Schlaf. Ich ärgerte mich, weil er ein paar sehr verletzende Dinge zu mir sagte.
Am Morgen hatte ich einen Nervenzusammenbruch. Ich schrie und schrie.
Meine Hebamme schickte mich daraufhin zur Mutter-Kind-Tagesklinik. Ich schilderte der Psychologin meine Wahrnehmungen, sie vermutete hinter dem Ganzen eine Wochenbettdepression. Ich misstraute dieser Diagnose. Mir ging es doch gut. Ich liebte mein Kind, hatte nur keinen Schlaf. Auf dem Weg zur Klinik kam mir die Welt seltsam vor. Ich nahm alles anders wahr. Ich roch Gerüche und fühlte Dinge, die für die anderen gar nicht da waren. In der Klinik kam es mir so vor, als würden mich alle anstarren, wie einen Zombie.
Meine Kleine schrie. Ihre Schreie hörte ich sehr laut, schallend und gellend. Ich begann zu weinen, wollte nur nach Hause mein brüllendes Baby stillen und endlich schlafen.
Drei Tage später am frühen Morgen brachte mir meine Mutter mein Baby zum Stillen. Ich sah es tot vor mir liegen. Dass dies eine Halluzination war, es ganz normal schlief, erkannte ich nicht. Ich dachte, ich hätte meine Kleine umgebracht. Nicht aktiv, sondern passiv. Wir, meine Familie und ich, hätten sie durch den ganzen Stress so schlecht behandelt, dass sie selbst entschieden hätte, wieder zu gehen.
Ich fing wie wahnsinnig an zu schreien. Mit Händeauflegen und Stillen habe ich versucht, sie zurück ins Leben zu holen. Ich dachte, das sei eine Prüfung durch Gott. Ich musste jetzt zeigen, dass ich für das Leben meines Kindes kämpfen konnte. Es sah so tot aus, so bleich, mit schwarzen Fingernägeln. Dann bildete ich mir ein, dass es verhungert wäre, weil aus meinen Brüsten nur Wasser käme. Ich hatte ja die ganzen letzten Tage auf Grund des Ekels kaum etwas gegessen. Ich schrie nach Milch und Honig, weil ich glaubte, das bilde Milch neu. Dann wollte ich mit ihr in die Badewanne, wie bei der Geburt. Ich dachte, so warmes Wasser wirkt vielleicht belebend. Ich legte die Kleine in die Arme meiner Mutter, rannte ins Bad, um Wasser einzulassen.
Meine Mutter gab sie nicht wieder her. Wahrscheinlich dachte sie, ich wolle die Kleine jetzt in der Badewanne ertränken. Mein Vater hatte schon den Notarzt gerufen und plötzlich standen Rettungssanitäter vor mir …
Die Entbindung fand im Geburtshaus meiner Hebamme statt. Alles verlief komplikationslos. In einer großen, runden Badewanne mit warmem Wasser habe ich aus eigener Kraft meinem Baby das Leben geschenkt, ohne Schmerzmittel, ohne Wehentropf. Die Hebamme hockte auf dem Wannenrand, und ich vertraute ihr. Mein Mann, der neben der Wanne saß, hat mir zwischen den Wehen Getränke gereicht und die Stirn gekühlt. Als die Kleine meinen Körper verließ, schwamm sie für einen kurzen Moment im Wasser. Mit ihrem Unterarm hob die Hebamme mein Baby aus dem Nass und legte es mir in die Arme. Es war ein wundervoller Moment, als ich die Kleine hochnahm, sie das erste Mal außerhalb meines Körpers spürte.
Auch die ersten Tage nach der Geburt waren schön. Ich hatte viel Kraft und kümmerte mich gern um die Kleine. Aber schon da begann meine Schlaflosigkeit. Plötzlich ekelte ich mich vor scharfen Gerüchen.
Fünf Tage nach der Geburt, meine Großeltern waren gerade zu Besuch, erlebte ich einen Zustand von Euphorie, ein Hochgefühl. Ich fühlte mich überdreht, als hätte ich Drogen konsumiert. Meine Hände zitterten, meine Füße waren eiskalt. Nun konnte ich gar nicht mehr schlafen. Ich fühlte mich überglücklich, war innerlich unruhig, aufgeregt und wusste nicht, wie ich meine Gefühle regulieren sollte.
Dann hatte ich Streit mit meinem Partner. Er konnte nicht verstehen, was da mit mir los war. Ich verstand es ja selbst nicht. Wir stritten und redeten die ganze Nacht lang. Wieder bekam ich keinen Schlaf. Ich ärgerte mich, weil er ein paar sehr verletzende Dinge zu mir sagte.
Am Morgen hatte ich einen Nervenzusammenbruch. Ich schrie und schrie.
Meine Hebamme schickte mich daraufhin zur Mutter-Kind-Tagesklinik. Ich schilderte der Psychologin meine Wahrnehmungen, sie vermutete hinter dem Ganzen eine Wochenbettdepression. Ich misstraute dieser Diagnose. Mir ging es doch gut. Ich liebte mein Kind, hatte nur keinen Schlaf. Auf dem Weg zur Klinik kam mir die Welt seltsam vor. Ich nahm alles anders wahr. Ich roch Gerüche und fühlte Dinge, die für die anderen gar nicht da waren. In der Klinik kam es mir so vor, als würden mich alle anstarren, wie einen Zombie.
Meine Kleine schrie. Ihre Schreie hörte ich sehr laut, schallend und gellend. Ich begann zu weinen, wollte nur nach Hause mein brüllendes Baby stillen und endlich schlafen.
Drei Tage später am frühen Morgen brachte mir meine Mutter mein Baby zum Stillen. Ich sah es tot vor mir liegen. Dass dies eine Halluzination war, es ganz normal schlief, erkannte ich nicht. Ich dachte, ich hätte meine Kleine umgebracht. Nicht aktiv, sondern passiv. Wir, meine Familie und ich, hätten sie durch den ganzen Stress so schlecht behandelt, dass sie selbst entschieden hätte, wieder zu gehen.
Ich fing wie wahnsinnig an zu schreien. Mit Händeauflegen und Stillen habe ich versucht, sie zurück ins Leben zu holen. Ich dachte, das sei eine Prüfung durch Gott. Ich musste jetzt zeigen, dass ich für das Leben meines Kindes kämpfen konnte. Es sah so tot aus, so bleich, mit schwarzen Fingernägeln. Dann bildete ich mir ein, dass es verhungert wäre, weil aus meinen Brüsten nur Wasser käme. Ich hatte ja die ganzen letzten Tage auf Grund des Ekels kaum etwas gegessen. Ich schrie nach Milch und Honig, weil ich glaubte, das bilde Milch neu. Dann wollte ich mit ihr in die Badewanne, wie bei der Geburt. Ich dachte, so warmes Wasser wirkt vielleicht belebend. Ich legte die Kleine in die Arme meiner Mutter, rannte ins Bad, um Wasser einzulassen.
Meine Mutter gab sie nicht wieder her. Wahrscheinlich dachte sie, ich wolle die Kleine jetzt in der Badewanne ertränken. Mein Vater hatte schon den Notarzt gerufen und plötzlich standen Rettungssanitäter vor mir …